Die Fredl-Fesl-Phalanx und Verwandte verschollener Art.
Eine Erzählung in Aufgesang, Vorrede, Nacherzählung und Abgesang
Aufgesang
Mein Hut hat eine Ecke,
eine Ecke hat mein Hut,
und hätt er nicht eine Ecke,
dann hing er nicht so gut
an der Huthaltestange,
eckenlos wär er absolut
nur ein Hut, ein Hut von der Stange,
ein Kopfbedeckattribut.
Vorrede
Die Fredl-Fesl-Phalanx für redliches Wurzelgemüse schreibt sich (selbst) ohne Bindestrich. Die Fredl-Fesl-Phalanx-Fremden wissen das nicht, sie bindestricheln. Auch in der Fredl-Fesl-Phalanx (selbst) wirds falsch gemacht. Das wurmt die Oberen, obgleich die Oberen sehr dafür sind, den Namenszusatz wegzulassen. Sie nennen das Brandmarktung, heißt, der Name soll für sich (selbst) sprechen. Außerdem: Auf das x von Fredl-Fesl-Phalanx folgt ein gGmbH. Eigentlich. Die Eigenen lassens weg – es klingt schofel. Die Anderen lassens auch weg – seis aus Faulheit, seis aus Ignoranz oder weils korinthenkackerhaft wirken könnte. Ein kleines g vor großem G, wie sieht das aus.
Die Fredl-Fesl-Phalanx ist stolz auf ihren Patron. Was für ein klangvoller Name! Ruf und Ruhm. Wofür der Name steht, wissen die meisten Eigenen nicht – jedenfalls nicht allzu genau. Ein paar wissen es schon, aber die wissen das Maul zu halten. Nur nicht an die große Glocke hängen. Bei den Anderen ist es ähnlich, doch haben die keine Glocke, und das ist gut, so bekommen sie nichts drauf. Gearscht sind die, die es wissen, ungefähr oder genau. Aus ihrem Fredl-Fesl-Wissen heraus stellen sie (selbst) Fredl-Fesl-bezügliche Anträge an die Fredl-Fesl-Phalanx. Sie halten sich auf ihr Wissen etwas zugute, wobei etwas hier für einiges steht, und also sind sie hoffnungsfroh. Sie haben sich schön geschnitten. Könnte ja ein jeder daherkommen und sagen: Ich weiß was, also krieg ich was – her mit dem Kohl. Da sind sie falsch gewickelt. Da kriegen sie ein schnödes: Da könnte ja ein jeder daherkommen! an den Kopf geworfen. Ein jeder kommt zwar nicht daher, doch ändert die Logikpanne nichts am Endresultat: Nein bleibt Nein, sonst könnte ja ein jeder daherkommen, und wo kämen wir da hin. Dahin, wo wir heute stehen, nicht. Da kämen wir zu gar nichts, das hätte weder Kohl noch Strunk, davon hätte keiner etwas.
Die Mittel sind da. Was die Mittel kennzeichnet ist nicht ihre Abwesenheit, es ist ihre Begrenztheit. Und, Schrägstrich, oder ihre Endlichkeit. Könnte man sagen, ist man philosophischen Geistes Kind. Jedem wie ers mag, und am Ende sind alle gleich, beziehungsweise egal. Die Fredl-Fesl-Phalanx (selbst) hat Mittel, und (selbst) die Fredl-Fesl-Phalanx hat Wege. Die Mittel, die sie (selbst) hat sind nicht eigentlich die eigenen, sie sind, so drückt man das aus, zugewandert. Vor der Zuwanderung waren sie Andere. Nach der Zuwanderung sind sie Eigene : Migrationsschicksal, Komma, typisch. Der Abwanderungsgrund ist unbekannt, beziehungsweise, unbekannt vielleicht nicht, aber schwer zu durchschauen. Und so genau sieht keiner hin. Was man weiß: Abwanderungsort ist Vater Staat, genauer: Mutter Staat.
Die Fredl-Fesl-Phalanx ist stolz auf ihren Patron. Doch hadert sie auch, sie leidet. An ihm – und dadurch letztlich an sich (selbst). Nicht an sich an sich oder an ihm an sich. Nein, an seiner Polarität, soll heißen, an seiner Geschlechtlichkeit die eine Gemächtigkeit ist. Die hat Ausgrenzungspotential. Jedoch, sagt man und weist darauf hin: Mutter Staat zahlt die Rechnung – und also bügelt es sich aus. Vielleicht. Die Chance besteht. Vorausgesetzt die Fredl-Fesl-Phalanx hat genügend Bügelerinnen an ihren Bügelbrettern. Das Ausbügeln von Ungerechtigkeit ist ein Kernkönnen der Fredl-Fesl-Phalanx, und gebügelt werden muss immer. Das macht die Entropie. Sie besagt: Die Welt bewegt sich von der Faltenlosigkeit des Babypopos allein und immer in Richtung Zerknitterung. Und die Welt von heute trägt ein Gewand aus Leinen, das ist voller Falten, Runzeln, Krinkel. Da muss Dampf gemacht werden – Gedankenstrich – sehr. Da muss Hand angelegt werden, pörsenell tatsch. Eine Bügelmaschine geht nicht, denn eine Bügelmaschine, und mag sie auch die Arbeit leichter von der Hand gehen lassen, eine Bügelmaschine ist unpersönlich und sie nivelliert. Dann wäre alles egal. Oder gleich. Da könnte ja ein jeder daherkommen. Und davongehen auch. Wo viele Wege sind, sind viele weg.
Deshalb hat die Fredl-Fesl-Phalanx ein Credo: Alles geht, das geht gar nicht. Ginge alles wie von (selbst), ginge alles seiner Wege, dann ginge ein Jedes querfeldein und kreuz und quer. Saustall! Das ist jetzt als Begriff gemeint: Saustall. Versteht man das? Versteht das das Publikum? Zuviel ist hier im ungreifbar Begrifflichen, eventuell. Wie wäre es also mit Butter bei die Fische? Die Butter schweigt, die Fische klagen nicht, und nach ihrer Begrifflichkeit fragt keiner – es ist alles sehr anschaulich, hat einen Haken, und entsprechend ist das Endresultat: ansehnlich, wohlriechend, schmackhaft und lecker. Darauf kommt es an. Anschaulich und durchsichtig soll die Fredl-Fesl-Phalanx sein. Sie lässt sich in die Töpfe spicken, denn so will sie den Menschen zeigen: Bei uns wird auch nur mit Wasser gekocht. Und ist ein Fisch im Wasser – umso besser.
Jetzt hat die Fredl-Fesl-Phalanx also einen Topf. Der muss leer werden. Jetzt sagst du: Dann stürz ihn halt um. – Wohl gesagt, falsch gedacht. Umgestürzt wird der Topf zum Gießkannenprinzip, zum Rasenmäherprinzip : Lasst 1000 Blumen blühen, lasst 1000 Blumen köpfen. Wem ist damit gedient? Zweifelhaft und (selbst) das ist verblümt formuliert. Besser ist es, mit Bedacht vorzugehen, keine großen Wellen machen, andernfalls droht man, das Kind mit dem Bade auszukippen. Deswegen: Erst einmal langsam, keine Hektik – und dann alles schön mit Überlegung : Sinn und Zweck, Form und Gestalt und bist du nicht willig, dann machen wir halt – etwas anderes. Nur auf eines kommt es an. Wie heißt das Zauberwort? : Kriterien. Wie die Brötchen mit Aufschnitt, gilt es, Geld mit Kriterien zu belegen. Herauskommen kann eine Salamisemmel. Herauskommen kann ein Fischbrötchen. Brot ist unanschaulich. Aufschnitt ist unansehnlich. Doch schneidet man das Brot und tut den Aufschnitt drauf, wird das Ganze griffig : ein Sandwich. Jedoch: Ein (Selbst)Läufer ist das nicht. Damit es gelingt, tut ein Konzept not – und ein Konzept besteht aus Kriterien. Um die Details kümmern sich die Fachleute; Fachleute sind die Messer der Sandwichproduktion. Entscheidend sind die Inhalte, die Zwecke sowie cui bono und taram-ta-tam. Sonst könnte ein jeder daherkommen – und was, wenn ein jeder Fisch essen will? Dann ist der Ozean leergefischt und nichts gewonnen, Gedankenstrich, außer, Doppelpunkt, Gräten. Das nur als Beispiel.
Das Publikum, merke ich, wird unruhig. Füße scharren, Mägen knurren. Das Publikum sagt sich (selbst): Hier wird gerade mein Bildungsdrang vielleicht, mein Unterhaltungsdrang kaum und mein Appetit gar nicht bedient … und geht das noch lange so, mache ich meine Füße zur Wahlurne, stapfe anderswo hin und werde (selbst) auf meine Fasson satt.
Die Fredl-Fesl-Phalanx schiebt solchen Fluchtbewegungen einen Riegel vor. Sie sagt: Liebes Publikum, wir verstehen euch! Klar – ihr seid unsere Zweckmeute, und, wer, wenn nicht wir, wäre ein großer Versteher. Etwas fade ist es (selbst) uns – wir verstehen uns, Komma, sozusagen, Komma, die Füße in den Boden. Worte, Wörter – doch zu welchem Zweck? Gestillter Bildungshunger füllt keinen Magen. Deshalb, liebe Menschen und Mitmenschen gibt es, damit alles in eine bestandskräftige Ausgelichenheit kommt, eine Geschichte, soll heißen, eine Erzählung. – Ists eine große, ists eine kleine? … das darfst du entscheiden, liebes Publikum, da sind wir tolerant und beteiligungsoffen. Und nun Vorhang auf, Augen zu und ab durch die Mitte.
Nacherzählung
Nein, das hast du nicht gesagt, sagt If auf Siws Frage, ob sie gesagt habe, wann das war.
Nein, das hast du nicht gesagt, sagt If ganz normal, und Siw – hat sie es nicht gehört? Geht sie darüber hinweg? … Letzteres vermutlich, denn das Andere ist wenig wahrscheinlich, auch wenn es mit der Wahrscheinlichkeit so eine Sache ist.
Siw also sagt: Ja.
Sie sagt: Aha.
Sie sagt: Aha, ja, das ist gut., dann ist es gut – dann ist es ja gut.
Pause.
Siw sagt: Also, das war damals in …
Habe ich gesagt, wo das war? unterbricht sich Siw.
Nein, sagt If, du hast nicht gesagt, wo das war. Das hast du nicht gesagt.
Ahja, gut, sagt Siw. Das kommt erst noch, das sage ich jetzt.
Also, sagt Siw, das war damals, in Neustadt …
… an der Dosse? sagt If.
Nein, sagt Siw, an die Dosse glaube ich nicht. Ich denke, das war nicht an der Dosse, das war bestimmt anderswo.
… an der Hördt? sagt If.
Nein, sagt Siw – und was soll das sein, eine Hördt? Das klingt wie eine Zumutung. Das ergibt eben so wenig Sinn wie eine Dosse.
Es war, sagt Siw, es war, denke ich, oder glaube ich, oder ich weiß es – es war damals in Neustadt, einfach Neustadt, in Neustadt, abends, die Dämmerung setzt ein, wenn auch erst ganz zag. Die Straßenlaternen beginnen sich zu erleuchten … – Sagt man das: Erleuchten?
If sagt: … aufzuleuchten, vielleicht?
Siw sagt: Ja. Nein. – Nein: Das klingt nicht gut.
Also, sagt Siw, das war damals in Neustadt am frühen Abend, die Dämmerung setzte eben ein, die Straßenlaternen begannen zu glimmen, da ging Steve … er ging … er ging nirgendwohin, eigentlich. Steve ging. Das war alles. – Ziellos. – An diesem Abend in Neustadt war Steve durch den Wind, ziemlich, wenn auch nicht durch jenen Wind, der an jenem Abend, diesem Abend in Neustadt, durch die Gassen und um die oben sich erleuchtenden Peitschenmasten pfiff. Der Wind, durch welchen Steve war, war ein anderer Wind, vielmehr, es war ein Wind der von ganz anderswo herwehte : Es war ein Wind, der ihm durch die Seele blies – durchs Gemüt … wobei es sich jedoch um sehr unbestimmte Ausdrücke handelt, um Wörter, Ausdrücke, Bilder, die der Sache, die der Sachlage kaum nahekommen, ja die den Kern der Lage, die das Wesen der Angelegenheit vielleicht nicht einmal streifen, die es eigentlich sogar ganz und gar verfehlen, wie ja Sprache sehr unzulänglich ist, unzulänglich, wie eine Krücke auf einen Rollschuh geschnallt, weshalb man natürlich und eigentlich und besser sagen müsste, dass Steve an jenem späten Nachmittag oder frühen Abend im halb hellen oder halb dunklen Neustadt ging, soviel steht fest, das ist eine einfache Tatsache, und zwar ging er ohne Ziel – was aus dem, was folgt, folgt – und dass es ihm nicht gut ging, dass es schlecht um ihn stand, das weiß ich – und du musst es mir glauben. So ist das: Einer weiß etwas, der andere nicht. Und erzählt der eine es dem anderen, muss der andere es glauben, ansonsten ist die Geschichte aus. – Stimmts?
Ja, sagt If, ich glaube, sagt If, da liegst du richtig. Und selbst, solltest du falsch liegen, sage ich mal: Im Zweifel für den Angeklagten. Also : Erzähl.
Gut, sagt Siw, und klopft auf den Tisch (ein Tisch ist eine Tatsache, auf die man klopfen kann), gut, sagt Siw, gut – dann zu Steve : Neustadt. Früher Abend. Einsetzender Dämmer. Erstes Licht an den Laternen. Leere Gassen. Wind – Steve. Er geht. Langsam, unsicher … nein, er schwankt nicht, nein den Kopf trägt er nicht gesenkt, der Kopf ist im Lot, doch schwingt er, der Kopf, als sei er im Hals nicht richtig verankert, schwingt, pendelt: links, links, rechts undsoweiter. Steve geht. Das Pflaster der Gassen ist nicht eben, doch er stolpert nicht. Unbedacht geht er sicherer als bedacht. Das ist die Regel. Das hat die Natur so geregelt für uns. Es ist windig aber trocken, trocken aber kühl. So ist das Wetter – für die Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Steve trägt eine Jacke, eine Kappe. Kalt ist ihm nicht, und wäre ihm kalt, er würde es nicht merken. Steve ist durch den Wind. Steve hält etwas, in der Hand, der rechten Hand, die handschuhlos ist, aber so kühl ist es nicht, dass er Handschuhe bräuchte. In der Rechten hält er ein Rechteck : weiß, zweidimensional, postkartengroß. Steve trägt einen Brief. Steve geht zum Kasten. Der Brief ist frankiert. Der Brief ist adressiert. Es ist ein Brief an Siw. Siw hat ihn verlassen, drum der Brief. Der Brief fällt in den Kasten. Zwei Tage später wird er in Siws Kasten fallen, aber zwei Tage später, das ist Zukunftsmusik. Steve steht am Kasten. Steve hebt die Schultern, wischt sich mit der rechten Hand über Mund und Kinn. Dann geht Steve weiter. Steve biegt um die Ecke. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Und der Brief? sagt If.
Ja, der Brief, sagt Siw. Ich trage ihn bei mir. Ganz geknickt ist er, zerfranst, der Umschlag nicht mehr weiß, die Marke halb ab, doch den Stempel oder ein Stempelstück, das kann man lesen. Da steht: Neustadt.
Abgesang
Was mal war
ist nicht ganz weg.
Was mal war
ist nicht ganz da.
So hat alles
keinen Zweck,
ist nichts Ganzes,
ist nur ha
Weder Phalanx noch Briefkasten. Doch zusammen wird ein Schuh draus.
Foto: Martin Bartholmy (eine hochauflösende Version dieses Bildes gibt es hier)