Martin Bartholmy: Das Haus in der Höhe (Roman)
580 Seiten, gebunden, 28 Euro
ISBN: 978-3-7526-0492-4
Ein Auszug aus Kapitel 26 (Text und Audio)
<Der Sturm>
Kleine feuchte Tapser fangen auf jeder Stufe das Licht der Lampen. Tageslicht seit Tagen keines; im Bullauge der Tür am Treppenende schwappt dunkelgraue Suppe.
Gerhild ist schlecht. Heute ists ein besseres Schlecht im Gesamtschlecht der letzten – wie vielen Tage eigentlich? Besser vielleicht durch Gewöhnung. Durch Abstumpfung wird alles, was nicht furchtbar ist, zu einem Silberstreif. Sie hatte es aufs Deck geschafft, entsetzlich, war nur einmal gestürzt, autsch, das Knie tat weh, das war gut – sie hatte ein Knie und dieses Knie gab ihr eine Einzelheit, an der konnte sie sich festhalten, weil sie war anders, als der Einheitsbrei aus Wetter, Wachkoma und Weberschiffchen … endlos raste es hin und her, und die Kettfäden fluppten es wie eine Bogensehne hoch, dann runter, links und rechts und auch das andere Links und Rechts und fluppten es bis tief hinein in die xte Dimension.
Sie hatte oben gekotzt, zur Abwechslung, aufs Deck: Schiff ein Eimer, Meer Abort. Was bleibt tragen die Vöglein fort. – Keine Vögel. Auch keine Fische, vermutlich. In die Nähe der Reling kam man nicht, und von der Tür aus konnte Gerhild die Reling nicht sehen – war sie da? war sie fort? – das Wetter, weggerissen oder die Augen? Der Sturm war immer noch gleichmäßig brutal, war so brutal gleichmäßiges Chaos, er war das neue Normal. Alles war grau, aber jedes Grau ein anderer Grauton, eine Unzahl von Tönen, und diese mischten sich zu einem großen Grauen, zum donnernden Rollen der Lüfte, zum Getös der Gischt, zum Totallärm – tonal, atonal, scheißegal.
Noch einmal sieht Gerhild zur Treppe, zu den Tapsern, die das Lampenlicht fangen. Sie kneift die Augen, hält sich mit beiden Händen an einem Griff, während ihre seekranken Synapsen schwer an Erkenntnis knapsen: Die Tapser – Spuren. Da war ein Mensch. Ein Mensch auf der Treppe. Sie war am Fuß der Treppe. Sie war an Deck gewesen. Dazwischen musste sie – Wahrscheinlichkeit … aber galt die Wahrscheinlichkeit auf See? Wie wahrscheinlich war die Existenz eines Menschen auf hoher See, im Sturm zwischen Hawaii und Alaska? – dazwischen musste sie, euklidisch, Verbindung zweier Punkte, die Treppe benutzt haben, das heißt, sie war auf der Treppe gewesen, beziehungsweise, auf dieser Treppe war ihr gewesener Aufenthalt wahrscheinlich, und ein Teil von ihr war immer noch auf dieser Treppe, die Punkte, die Tapser im Licht, und ein Teil von ihr war hier, schwankend, die Hände am Griff, und wenn die Tapser Menschenspuren waren, dann war sie ein Mensch, und wenn ein Teil von ihr hier als Lichtspur auf der Treppe lag, ein Teil von ihr hier am Griff hing, wankend, dann war sie zwei, und das war gut, dann war sie nicht allein.
Sie will weiter. Das Knie. Könnte sie es berühren, bestimmt wäre es geschwollen. Das Knie leidet unter ihr, und sie will es von sich entlasten, es hochlegen, sich vielleicht dazulegen … liebe Koje. Sie kann nicht weiter. Der Griff lässt sie nicht los, hat ihre Hände fest im Griff, will verhindern, dass sie zu sich selbst kommt, zum anderen Selbst. Sie mussten zusammen kommen – mussten; sie hattens einander versprochen, zum Geburtstag, und der war bald, oder? … wie alt? Waren sie oder wurden sie 50? Eine jede von ihnen wäre dann 25 – ein schönes Alter.
Kindergeburtstag. Die Torte dunkel, die Kerzen hell, und jemand sagt: Pusten, pusten. Sie will nicht pusten. Sie nimmt die Kodak, legt die Kassette ein, zielt, drückt. Es blitzt und verlöscht sind alle Kerzen, aber kein Applaus, kein Rauch. Die Kinder in der Runde, sie sind nicht zu sehen, klatschen, aber das Klatschen hört sie nicht. Sie hört einen Schatten. Ihre Mutter kommt. Ihre Mutter ist eine Prinzessin; sie selbst ist eine Erbse. Ihre Mutter trägt ein großes Messer und sagt: Jedem das Seine. Ihre Mutter schneidet Salami in dünne Scheiben. Sie sagt: Die ist teuer. Sie sagt: Nehmt es hin. Sie sagt: Jede Scheibe ein Jahr meines jungen Lebens. Die Mutter hat keine Finger, aber Fingernägel hat sie und die sind spitz wie Krallen. Sie nimmt das Salamibrot der Mutter und wirft es. Es prallt gegen die Scheibe. Mutter sagt: Draußen Niederschläge, draußen Noah. Er treibt in einem Ölfass übers Meer und angelt, weil alles Vieh ertrank.
Auf 52° N 145° W, ungefähr, der Sturm verwischt auf dem Wasser die Längen-, Breitengrade, soll heißen, irgendwo zwischen Unalaska und Vancouver, liegt seit fünf Tagen das Motorschiff Schweifstern in einem schweren Sturm. Fragte man Kapitän Schmitt, nichts Besonderes, fragte man den Maschinisten Kjeldahl, die übliche Soße, fragte man die Matrosen Dakila, Kidlat und Igme, sie lachten und nickten, weil Bahnhof verstanden. Fragte man hingegen Frau Dr. Biermann … aber die fragt man besser nicht, die ist unpässlich, die bewegt die Lippen und doch kann sie nichts sagen. Die Schweifstern liegt in einem schweren Sturm, seit fünf Tagen. Ein, zwei Tage kann sich, wird sich das noch hinziehen, sagen die Meteorologen, denn so verkündens die wasserscheuen Satelliten, die im windstillen All, da kann man nicht atmen, ihre Runden drehen.
Die Walmutter mit ihrem Kalb taucht unter der Schweifstern hindurch und bemerkt das Schiff nicht, wird auch von ihm nicht bemerkt. Von Tag zu Tag schmeckt das Wasser besser, schmeckt nach Mahlzeit, und keine Spur von Orkas, das ist gut, denn auch das Kalb schmeckt nach Mahlzeit. Mutter und Kalb tauchen auf, und die Mutter zeigt, wie man durch Täler und über Kämme schwimmt: Da muss dir nicht bange sein. Das ist gar nicht schwierig. Das macht sogar richtig Freude. Bewusst atmen, Ein – Aus, Ein – Aus, und keinen Bammel, und da, siehst du, durch die Wellen stichst du wie ein Schwertfisch. Merke, merke dir mein Kind, so singt sie ihm vor: Sinds kleine Wellen, sinds große Wellen, ein Wal kriegt davon keine Dellen.
Gerhilds Koje krängt nach rechts; sie rutscht auf dem Rücken ans Gestäng. Sie schnappt nach Luft, mahlt mit den Kiefern, spitzt die Lippen, macht einen Kuhlaut: Muh.
Gerhilds Koje krängt nach links; sie rutscht an die Wand. Sie liegt in ihrer Wiege. Wie alt ist sie? Ein, zwei Jahre vielleicht. Sie hat daran keine Erinnerung, wie auch. Die Wiege steht still, die Vorhängchen sind zugezogen. Sie blinzelt in die Stickerei, Blumen rot und Blumen türkis, und durchs Geblüm dringen Stimmen, Stimme türkis und Stimme rot, rot, rot. Dann krachts. Es schaukelt, schiffsschaukelhoch. Dann reißt es die Blumen weg – Muh, die Kuh hat die Wiese gefressen.
Dann –
Gerhild fährt hoch, schlägt sich die Stirn, fällt zurück, legt eine Hand auf die Stirn, macht weder Muh noch Mäh.
Dann wieder der Magen. Die ganzen Innereien – ein einziger Magen. Der Körper eine Nickfigur, ein Sprungpolster, auf dem der Kopf hüpft und hüpft und hüpft, kein Ende abzusehen, Perpetuum mobile.
Die Schweifstern hat, wie jedes gute Schiff, Langmut und ist Opportunist. Ein Schiff, das versucht, den Ozean gegen den Strich zu bürsten, ist nicht Schiff, es ist Wrack. Schwere Seen backbord, schwere Seen steuerbord, schwere Seen voraus; schwere Seen schlagen aufs Deck und schwere Seen gehen über Deck, jedoch ohne etwas mitzureißen, denn alles ist vernietet, vernagelt, verzurrt. Die Schweifstern ist vor Wellen aller Art gefeit: Vor Wellen die wuchtig zuschlagen, Baseballschläger von der Seite, Golfschläger von unten; vor Wellen, die den Kiel in die Höhe pritschen oder die, wie aus dem Nichts, das Deck nach unten schmettern; vor Wellen, wahren Brechern, die auf sie schlagen wie nach Bodycheck ein Eishockeyspieler auf die Bande; vor Wellen, wahren Wasserbällen, die mit Slice sich überschlagen, aufschlagen und die Bordwand tückisch anspringen. Den Wellen klein und groß, den Wechselströmen, Wirbeln, den Wellen nass und nässer hält die Schweifstern stand, denn gewaschen ist sie mit allen Wassern: Taifun, Orkan, Wind-, Wasserhose, Blizzard und Weiße Bö – die Schweifstern ist für all das wie gemacht, vom Kiel bis hin zur Brücke, denn gemacht wurde sie als Forschungsschiff, und Forschung greift das Unbekannte an, und dorthin, wo die Karten sagen: Hier sind Drachen, begibt man sich nach Möglichkeit auf einem drachenfesten Schiff.
Probleme gibt es dennoch. Nach fünf Tagen Sturm sind die Sinne auch der kernigsten Seemänner nicht mehr tipptopp, und auf diese Sinne kommt es an, obgleich die Technik einiges erledigt. Die größte Gefahr ist sowieso nicht das Meer an sich, da ist die Schweifstern in ihrem Element, die größte Gefahr ist, was sich darauf herumtreibt und was darunter liegt, von seinen Rändern ganz zu schweigen. Zwar ist es weit, das Meer, sehr weit und ziemlich leer, doch mit genügend Zeit, genügend hin und her, wächst die Wahrscheinlichkeit, auf ein anderes Schiff zu treffen, auf ein Wrack oder einen Eisberg, und diese Wahrscheinlichkeit wächst weiter, wenn die Sinne der Diensthabenden abgeschliffen sind von Weißem Rauschen und grauer Suppe, von Haltlosigkeit, von Dauerquirl und von den Fehlalarmen jener Technik, die helfen soll, die Fehler zu vermeiden.
War knapp, sagt am sechsten Tag des Sturmes Reinders, der Erste Offizier, zu Kapitän Schmitt, der eben die Brücke betritt: Das war man knapp.
Bericht.
Vor einer guten Stunde – er sieht auf sein Log – um 16 Uhr 42 sei ihnen ein Stückgutfrachter gefährlich nahe gekommen, die Krusenstern aus Wladiwostok – Positionslampen ausgefallen und weit ab vom Kurs. Ein Teil der Ladung verrutscht, wenn er den Russen richtig verstanden habe. Hilfe hätten sie jedoch abgelehnt, er der Ordnung halber Meldung gemacht nach Anchorage, wer weiß?
Gut. Was sonst?
Ansonsten sei alles klar. Maschine drei wieder ausgefallen und Kjeldahl arbeite daran. Echte Probleme bereite das nicht. Matrose Hamid, gestürzt in der Messe, aber nur ein Kratzer, dito Frau Professor, dickes Knie, der Doc habe es versorgt.
So neigt sich der sechste Tag des Sturms dem Ende zu, neigt sich, wie die Schweifstern in der Brandung, neigt sich, aber endet nicht.
Hell, dunkel – dunkel, hell. Alles Eins in Grau. Ja, nein – nein, ja. Alles ein Vielleicht. Schlaf, wach – wach, Schlaf. Alles ein Tagtraum. Stehen, liegen – liegen, stehen. Liegen ganz klar vorzuziehen.
Gerhild schluckt ihr Schmerzmittel, reibt das Knie, zieht es an, streckt es. Es schmerzt gar nicht mehr, kein bisschen. Sie wiederholt die Übung einige Male, dann merkt sie, es ist das falsche Knie. Sie fasst ans andere Knie. Zieht es an, streckt es. Das geht, das geht, aber es tut noch weh. Sie zieht beide Beine an und umarmt sie, die Knie an der Decke der Koje. Ein Lied beginnt. Sie glaubt, sie hört sogar das Geräusch, wie die Nadel ihres Kinderplattenspielers auf die schwarze Scheibe fällt: Ein Tropfen Wasser auf heißer Herdplatte. Sie summt, summt die Ein-Finger-Melodie, und diese Melodie reaktiviert vergessne graue Zellen – zack, da ist der Text:
Erst kommt der Marienkäferpapa,
dann kommt die Marienkäfermama,
und hinterdrein, ganz klimperklein,
die Marienkäferkinderlein.
Auf dem Wasser zu singen, denkt sie und muss kichern: Zu singen auf dem Ozean, hej-ho.
Sie sieht sich als kleines Mädchen … Nein, das stimmt nicht: Sie sieht ein Foto von sich als kleines Mädchen – ein Schwarz-Weiß-Foto, Fünf-Markschein-Format, gezackter Rand, ein Foto von einem Mädchen mit geflochtenen Zöpfen, kariertem Kleidchen, dicker Brille. Das Mädchen sitzt allein in einem Gummiboot. Es hält die Ruder, beugt sich vor und blinzelt in die Kamera. Auf der Rückseite steht, Handschrift ihres Vaters: Gerhild (5) auf großer Fahrt (Max-Eyth-See).
Gerhild zählt an den Fingern: Ihre Eltern hatten jeweils Eltern (2) und Geschwister (2 bzw. 3). Sie selbst hat Eltern (2), aber keine Geschwister (0). Yannick hatte ein Elternteil hier, eines dort, also jeweils (1) und keine Geschwister (0). Eine Schwundgeschichte. Klarer Befund und in der Evolutionsbiologie oft zu beobachten: Schrumpfung, Flaschenhals, Verarmung – Ende, aus. War sie der letzte Flussdelfin im Jangtse, Yannick das letzte Kalb? An weitere, jedenfalls, war nicht zu denken – die Männchen abgängig und ihr letzter Eisprung ein Fakt von allenfalls historischem Interesse. – Adoptieren? Adoptieren könnte sie, aber will sie einen Barsch-Sohn, eine Wels-Tochter? Das will sie nicht, das würde nichts, das passte nicht – passte nicht in die Familie, in die Ordnung, in die Klasse. Und die Eltern würden sich schön bedanken.
Gerhild visiert durch die Kimme ihrer Knie den abgeriebenen Aufkleber am Ende der Koje – ein Bohrturm, darunter steht: Geologen sind die besseren Liebhaber.
Sie fixiert das. Kein Schwindel, der Bohrturm bleibt im Visier, schwankt nicht, auch die Knie wackeln nicht – alles erstarrt. Ist sie gesund? Ist sie tot? Hat die Welt Kurzschluss? Sind Wind und Wellen verflacht?
Wer dumm fragt, das war ihr momentan entfallen, bekommt eine dumme Antwort. Ein Schlag; es wirft sie an die Wand. Sie zittert. Alles zittert. Ein Gebrüll, ein Stöhnen, ein dumpfer, ein dröhnender, ein ganz tiefer Schrei; ein Ächzen. Das schmutzige Dämmerlicht, das eben noch in die Kabine fiel, ist weggewischt, Blackout. Das Notlicht geht an, flackert, geht wieder aus. Ein zweiter Schlag wirft sie in die Wanten, wirft sie fast aus der Koje. Schwarz. Nur vor dem inneren Auge glimmen vom Aufprall Funken, pulsen helle Ringe.
Stille.
Dann heult es, heult es – hunderttausend Heuler auf einer Klippe, Heuler mit Fängen, mit Feueratem. Es gongt – die Welt eine Scheibe. Alles schlottert. Welt aus Wackelpudding. Die Bordwand knirscht. Der Boden knirscht. Die Decke knirscht. Die Koje knirscht. Und Gerhilds Zähne knirschen.
Dann geht das Notlicht wieder an. Dann schlägt Gischt gegens Bullaugen. Dann rollt das Schiff, dann pfeift der Wind. Und dann wird Gerhild schlecht, schön schlecht, so schön wars nie, sich schlecht zu fühlen, denn fühlen sagt: Ich bin, du bist, er – sie – es ist, wir sind noch da.
Der Sturm tobt wie ein alter Freund die ganze Nacht; Gerhild umarmt den alten Freund, den Eimer. Ihr Knie schmerzt, jedoch schmerzt es weniger als der Kopf, und der Kopfschmerz stört sie nicht, im Gegenteil, der Kopfschmerz ist ihr Mole, Kai und Pier.
Der Sturm, alter Freund, geht die ganze Nacht seinem Gewerbe nach und tobt. Wie Trommelwirbel in der Manege beginnt er mit Blitz, mit Donnerschlägen: das Crescendo, ein Zeichen – das Ende ist nicht fern. Nie zuvor in den sieben Tagen war Gewitter. Sieben Tage war der Sturm Sturm gewesen und war als Sturm ganz bei sich, war von sich selbst beseelt. Er war ganz eigentlich: der Sturm. Zinnober macht ein Sturm erst dann, wenn er den Hauch nahender Schwäche spürt.
Es blitzt und donnert, donnert, dass im Kombüsenschrank sämtliche Tassen tanzen. Der Blitz schlägt mehrmals auf der Schweifstern ein, und auf der Brücke setzen zwei, drei Instrumente für wenige Sekunden aus. Elmsfeuer ziehen übers Deck, ziehen über Reling, Masten, Steuerhaus. Dann noch zwei Donnerschläge, drei und vier und fünf und sechs. Dann ist es aus. Dann ist kein Licht mehr. Dann ist ums Schiff und auf dem weiten Meer pechschwarze Nacht und ungesehen tobt der Sturm von Neuem, als wolle er beweisen, dass er keines Publikums bedarf, um Spitzenleistungen zu bringen. Doch ist dies Toben wie der Trotzanfall eines kleinen Kindes und kommt bevor der Sturm, der Wind sich legt – müde, müde, Känguru …
Am schwärzesten die Nacht just vor der Dämmerung. Am schwersten die See kurz vor der Kalme.
Ein Kaventsmann nach dem anderen prügelt auf die Schweifstern ein. Ein Kaventsmann nach dem anderen schüttelt sie durch. Ein Kaventsmann nach dem anderen prallt an der Schweifstern ab, prallt zurück in die See und kracht in andere Kaventsmänner. Wozu das führt? Das führt zu nichts. Was das bedeutet? Das bedeutet nichts. Pure Natur.
Gerhild umarmt den alten Freund, den Eimer. Sie ahnt, sie fühlt, ein alter Freund, doch bald wird er sie verlassen. Ihr schwindelt, sie dreht sich, dreht sich um sich selbst, dreht sich um ihren Eimer und dreht den Eimer oder der Eimer dreht sie, und der Sturm dreht sie um sich selbst, und auch sie dreht mit, dreht an der Drehung der Gesamtdrehmaschine, sind wir nicht alle Rädchen, alle Getriebe, ihr, sie, und sie dreht sich, Schneckenhaus und Strudel, um den bohrenden Fixpunkt in ihrem Kopf.
Dann ist es vorbei. Gerhild schläft ein.
Martin Bartholmy: Das Haus in der Höhe (Roman)
580 Seiten, gebunden, 28 Euro
ISBN: 978-3-7526-0492-4